Die von Christian Heinrich Stobwasser gegen Ende des 18. Jahrhunderts unternommenen Reisen nach England, die nicht zuletzt dem Absatz Stobwasserscher Lackartikel dienten, hatten dort ihre Wirkung nicht verfehlt.
Auch hier traten schon bald verschiedene Nachahmer auf. Wie umfangreich schon damals der Export von Stobwasserdosen gewesen ist, beweisen die noch heute recht häufig zu findenden Stücke im englischen Kunsthandel.
Der bedeutendste englische Lackdosenhersteller seiner Zeit war zweifellos der Maler und Lackierer Samuel Raven aus Birmingham. Da in der Jugendzeit Ravens „The Birmingham School of Design“ noch nicht bestand, darf angenommen werden, dass er das Malen und Zeichnen als Autodidakt privat erlernte.
Manches deutet darauf hin, dass Raven vor der Gründung seines eigenen Unternehmens für die 1816 eröffnete Lackmanufaktur Jennens & Bettridge in Birmingham als Maler in Heimarbeit tätig war. Von dort bezog er auch die „blancs“, Dosenrohlinge, die er in seinem Haus dekorierte, lackierte und auf eigene Rechnung veräußerte.
Schon 1815 wurde Raven in den Geschäftsbüchern Birminghams als Maler aufgeführt, wo er seinen Betrieb in der Bartholomew Street unterhielt. Alten Zeitungsberichten zufolge hatte er seit dieser Zeit schon Maler im eigenen Atelier ausgebildet.
Als Malvorlagen für lackierte Dosen und Bildplatten dienten in erster Linie die in Stichen reproduzierten Werke zeitgenössischer englischer Künstler wie David Wilkie, George Henry Harlow oder George Morland. Darüberhinaus bevorzugte er Jagd- und Tierdarstellungen nach Vorlagen des Tiermalers Alexander Cooper.
Mit der Lieferung von Dosen und Etuis für den Herzog von Sussex hatte er sich bereits 1818 die Gunst des englischen Königshauses erworben.
Bis heute ist ungewiß, ob Raven während des gesamten Zeitraums seiner Produktion auch die Dosenrohlinge und Bildplatten im eigenen Atelier produzierte oder diese von auswärtigen Herstellern bezog
Art und Weise seiner Dosen glichen denen der deutschen Gegenstücke ganz erheblich, wobei Ravens Dosen lediglich in runder Form bekannt sind. Mit großer Wahrscheinlichkeit diente auch bei der Gestaltung der Malerei Stobwasser als Vorbild. Auf den ersten Blick sind seine Dosen von jenen Stobwassers aus Braunschweig und Berlin kaum zu unterscheiden, obwohl der Werkstoff Papiermaché entschieden poröser und leichter ist und auch der Lack nicht annähernd die Qualität des Vorbilds erreicht. Der nach Ravens Rezeptur hergestellte Lack veränderte im Laufe der Zeit oftmals seine Konsistenz, verlor den Glanz, zeigt ein starkes Craquelèe und dunkelte meist erheblich nach.
Oftmals finden sich auf den von Raven hergestellten Schnupftabaksdosen, direkt auf der Malerei, die Signaturen „Raven“ , „S. Raven“ oder nur die Initialen „S.R.“. Die Signets im Dosendeckel weisen auf seine Gönner Prinz Augustus Frederick, Duke von Sussex (1773-1843) sowie Prinz Leopold von Sachsen-Coburg (1790-1865) hin. Sie lauten: „S. Raven pinxt. Patronized by H.R.H. the Duke of Sussex & Prince Leopold of Saxe-Cobourg“ bzw. “S. Raven pinxt. Patronized by H.R.H. the Duke of Sussex & Prince Leopold”. Erwähnungen fürstlicher Auftraggeber auf den Handelsartikeln waren damals weit verbreitet, da sie zum besseren Absatz der Produkte beitrugen.
Im Alter von 72 Jahren starb Samuel Raven 1847 in seinem Heimatort Birmingham, in einer Zeit, als Schnupfen von Tabak längst aus der Mode gekommen und von Zigarre und Zigarette abgelöst war.
Erstaunlicherweise erfreuten sich die Produkte Ravens ungeachtet ihrer weniger exquisiten Qualität im England der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts weit größerer Wertschätzung, als die seiner deutschen Vorbilder. Dies beweisen u.a. Versteigerungskataloge mit Ergebnissen von Auktionen in dieser Zeit.